In 10 Schritten zum autonomen Lesen
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Die einen haben mit dem Lesenlernen kein Problem - manche brauchen dafür eben etwas mehr Zeit und die richtigen Hilfestellungen.


Du musst einfach mehr üben!
Konzentrier dich einfach, dann kannst du auch lesen!
Du musst nur mehr lesen, dann kannst du es!“


Solche Aussagen hören Kinder mit Leselernschwierigkeiten oder -störungen regelmäßig. Leider sind sie absolut nicht dienlich, sondern eher kontraproduktiv. Leseschwierigkeiten können viele Ursachen haben, bei denen mehr üben, sich besser konzentrieren oder regelmäßiges Lesen allein nicht ausreicht.

Wir stellen dir hier unser Leselernkonzept "in 10 Schritten zum autonomen Lesen" vor. Die Inhalte basieren auf dem neuesten Stand der Forschung, sind abgestimmt auf die Förderrichtlinien der luxemburger Grundschule und von Lehrkräften aus unterschiedlichen schulischen Bereichen ausgearbeitet und erprobt.


Das Konzept berücksichtigt folgende Punkte:

  • die emotionale Ebene
  • wichtige Grundvoraussetzungen
  • die Dekodierfähigkeit
  • Lernstrategiewissen

Die emotionale Ebene

1. Verstehen - das Problem erkennen.

Der Ursache der Leseschwierigkeiten auf die Spur zu kommen und von Beginn an mit dem Kind offen darüber zu reden, ist die erste Voraussetzung, um ein Kind in seinem oft schwierigen Leselernprozess zu unterstützen.
Wenn das Kind versteht, warum es diese Schwierigkeiten begegnet und dass dies nicht an der eigenen Intelligenz, sondern an anderen Faktoren liegt, wird es dem Kind leichter fallen, damit umzugehen.

Als Erstes ist es daher von großer Bedeutung herauszufinden ob eine zeitweilige Leseschwierigkeit vorliegt oder eine Lese- oder Lernstörung den Leselernprozess behindert.
Wir raten immer zu einem klärenden Gespräch mit dem Lehrpersonal. Bei Zweifelsfall ist es ratsam  einen Spezialisten hinzuzuziehen, der eine Diagnose stellen kann.

2. Vertrauen – ich kann lesen lernen.

Wer jetzt erwartet, dass wir schreiben, wie das Kind Selbstvertrauen selbst aufbauen kann, den müssen wir leider enttäuschen.
Es ist nämlich zuerst an uns Erwachsenen (Eltern, LehrerInnen, ErzieherInnen...) dafür zu sorgen, dass das Kind überhaupt Selbstvertrauen entwickeln kann. Wir müssen als Erste an unserem eigenen Bild, das wir vom Kind haben, arbeiten und ihm vermitteln, dass wir an es glauben. Es ist in diesem Fall nicht das Kind, das etwas leisten muss, sondern wir Erwachsene. 

Sätze wie: „Du musst einfach mehr üben! Konzentrier dich einfach, dann kannst du auch lesen! Du musst nur mehr lesen, dann kanns du es!“, müssen der Vergangenheit angehören. Sie sind in diesem Fall absolut nicht dienlich.
Wir Erwachsenen, müssen bereit sein, dem Kind die nötige Zeit zuzugestehen um seine Schwierigkeiten aufzuarbeiten und zu lernen mit Hilfestellungen zurecht zu kommen.

Wichtige Grundvoraussetzungen

3.Sehen – spielerisch visuelle Fähigkeiten trainieren.

Das Sehen und somit das Erkennen der Buchstaben sind die Basis der Lese- und Lernfähigkeiten. Fließend lesen zu können setzt voraus, dass die Augen richtig arbeiten. Es schadet nie, diese Fähigkeiten anhand von Spielen und Rätseln zu trainieren. 

Es gibt jedoch Kinder, die ein sehr gutes Sehvermögen besitzen, jedoch trotzdem Schwierigkeiten im Leselernprozess aufzeigen. In diesem Fall ist es sinnvoll von einem Ophthalmologen abklären zu lassen, ob keine neuro-visuelle Störung vorliegt. Es kommt vor, dass das Kind sehr gut sieht, jedoch die visuellen Reize nicht richtig verarbeiten kann. Dies hat seinen Ursprung in der Gehirntätigkeit. Das Gehirn verarbeitet die visuellen Reize anders oder ungenügend. Diese Störungen werden leider oft fast nicht oder sehr spät erkannt. Es ist für die Kinder nämlich nicht möglich selbst zu erkennen und auszudrücken was ihnen Probleme bereitet. Es ist für sie  normal so zu sehen, wie sie es tun. Sie kennen den Unterschied zu einer guten Sicht, einem breiteren Sichtfeld nicht.




4. Hören – spielerisch das Gehör schulen.

Eine weitere unabdingbare Fähigkeit im Leselernprozess ist ein gut funktionierendes Gehör.
So wie bereits beim Sehen, so ist der Prozess des richtigen Hörens ebenfalls sehr komplex.  Man benötigt Einerseits ein ausgezeichnetes Hörvermögen, andererseits die Fähigkeit die auditiven Reize richtig zu verarbeiten.
Das Kind muss:
-    Laute die es hört, voneinander unterscheiden können
-    diese aus vorhandenen Störgeräuschen herausfiltern,
-    akustische Signale erkennen und verstehen
-    Wörter und deren Sinn muss im auditiven Gedächtnis „abgespeichert“ werden können
-    das Gehirn muss dann den Sinn der so entstandenen Wörter verarbeiten und verstehen
-    auditive Konzentrationsfähigkeit besitzen

In diesem Bereich gibt es viele Übungen, die man ganz einfach zu Hause oder mit der ganzen Klasse durchführen kann. abei reicht es  nicht, Töne gut hören zu können. 
5. Erkennen – Buchstaben und Laute verbinden.
Die alphabetische Schrift der Buchstaben kennen und mit den korrespondierenden Lauten verbinden zu können, ist essenziell für den Lese- und Schreiblernprozess.

Buchstaben lesen ist daher ein komplexer Prozess und erfordert das perfekte Zusammenspiel von Sehen (den Buchstaben erkennen), Hören (Laute unterscheiden) und Sprechen (selbst den Laut bilden).

Das Kind muss die Schriftsprache kennen und mit der Lautsprache verbinden können. Leider ist dieser Schritt für Kinder mit Lesestörungen bereits ein erstes Hindernis und bedarf meistens besonders am Anfang gezielt Unterstützung.
6. Erstes Lesen Silben bilden.
Da es für Kinder mit Lesestörungen in höheren Klassen immer noch schwierig ist, sofort ein ganzes Wort zu lesen, arbeiten wir zuerst mit der Silbenmethode, bevor wir auf die Wortebene übergehen. Das Kind lernt, die Buchstaben zusammenzusetzen und die ersten Silben zu lesen. Dies ist eine der wichtigsten Etappen und darf nicht übersprungen werden. Würde man sofort zum Wörterlesen übergehen, dann wären das Kind wieder überfordert. Wir nehmen uns deshalb für diese Phase ausreichend Zeit. In der französischen Sprache ist es zusätzlich von großer Bedeutung, die Laute einzuüben.

Die Dekodierfähigkeit

7. Verbinden  - Wörter lesen.
Das Kind hat gelernt, dass man Buchstaben zu einer Silbe zusammensetzen kann. Hier lernt es, dass daraus Wörter gebildet werden. Diese werden in der deutschen Sprache immer in Silbeneinfärbung dargestellt. Im Französischen werden die verschiedenen nicht lautgetreu ausgesprochenen Vokale und Konsonanten in einer festgelegten Farbe markiert.
 In dieser Etappe beginnt auch das sinnentnehmende Lesen. Es reicht nicht aus, die Wörter lesen zu können, sondern das Kind soll den Wörtern die richtige Bedeutung geben.

 8. Sinn entsteht Sätze lesen und verstehen.
 Das Kind lernt die einzelnen Wörter zu einem Satz zusammenzusetzen. Zuerst wird der Satz „entziffert“. Erst nach dem 2. oder 3. Lesen wird am Leseverständnis gearbeitet. Dies ist eine sehr komplexe Herausforderung für Kinder mit Lesestörungen und bedarf meistens besonders am Anfang viel Zeit.    
    

Lernstrategiewissen

10. Unabhängig sein – autonom lesen und lernen.
Lesestörungen werden nie ganz verschwinden, aber man kann lernen, damit umzugehen. Hat das Kind seine Schwierigkeiten akzeptiert und gelernt, damit umzugehen, dann steht einem eigenständigen Lesen und Lernen nichts mehr im Weg.

 
  

9. Erleben – Texte lesen und verstehen.
Das Kind lernt Hilfen selbstständig anzuwenden. Es wird eine bestimmte Technik erarbeitet, die es ihm erlaubt auch längere Texte oder Bücher autonom zu lesen.  Diese Technik besteht aus mehreren Etappen. Das Kind benötigt daher mehr Zeit als seine MitschülerInnen, weil es den Text öfters lesen und intensiver durcharbeiten muss. Ab dieser Ebene kann das Kind jedes NUMULIS Lesebuch eigenständig lesen und verstehen.
Quellen

Woher kommen unsere Ideen?

Auf dieser Seite kannst du dir ansehen, welche Bücher wir als Quellen für Ideen, Informationenen und Erklärungen genutzt haben.