Denkt man an die Verantwortung eines Hundezüchters, fallen einem als Erstes einige naheliegende Dinge ein: die richtige Auswahl der Zuchtpartner, die Durchführung und Berücksichtigung der tierärztlichen und gentechnischen Gesundheitschecks, die gute Ernährung der Mutterhündin und der Welpen, die Sicherstellung der medizinischen Betreuung vor, während und nach der Geburt … All diese Punkte sollten heutzutage selbstverständlicher Standard sein. Was darüber hinausgeht, ist die gute Betreuung der trächtigen Hündin und der Welpen. Hier liegt immer noch einiges im Argen, und längst nicht jeder verantwortungsvolle und wohlmeinende Züchter tut in diesem Bereich alles, was er oder sie könnte.
Dies unterbleibt meist aus Unwissenheit und oft, weil ungünstige Konzepte und Glaubenssätze im Weg stehen. Dabei hat ein Züchter so viel Einfluss und kann so vieles bewirken; er kann im Idealfall den Lebensweg jedes Welpen und seiner zukünftigen Menschen positiv beeinflussen. Er oder sie betreut diese kleinen Wesen in den wichtigsten Wochen ihrer Entwicklung, wo so viele Weichen gestellt werden und Entwicklungswege sich öffnen oder schließen.
Ja, es stimmt, der Züchter hat es in der Hand, was aus seinen Welpen wird. Natürlich kann im späteren Leben eines Hundes immer noch einiges passieren und auch schiefgehen. Wenn er am Anfang aber den bestmöglichen Start hatte, wird auch eine Krankheit oder ein Trauma ihn sehr viel weniger aus der Bahn werfen. Wie sieht diese bestmögliche Aufzucht aus? Was kann ein Züchter tun, um seinen Welpen den besten Start zu geben?
Vorgeburtliche Einflüsse
Schon seit vielen Jahren ist bekannt, welche negativen Auswirkungen übermäßiger Stress in der Schwangerschaft auf ungeborene Kinder hat. Diese Erkenntnis lässt sich direkt auf trächtige Hündinnen übertragen. Was ist aber übermäßiger Stress für eine Hündin? An erster Stelle steht da sozialer Stress, dem sie im Haus des Züchters ausgesetzt ist. Dieser kann sicher auch von der Züchterfamilie ausgehen, entweder weil der Umgang mit den Hunden unfreundlich bis grob ist oder weil es Zoff unter den Zweibeinern gibt. Eher wird eine Hündin aber durch die anderen Hunde des Züchters gestresst. Sei es, dass sie nicht genug Rückzugsmöglichkeit hat und/oder zu viele Hunde auf zu kleinem Raum gehalten werden. Wenn dann noch unterschwellige Spannungen zwischen einzelnen Hunden oder in der ganzen Gruppe herrschen, steht die Mutterhündin, und damit auch ihre Früchte im Uterus, möglicherweise während der gesamten Schwangerschaft unter Dauerstress. Oft werden Auseinandersetzungen zwischen den Hunden gerade von Züchtern als rrangordnungsbedingt unvermeidbar“ angesehen und damit toleriert. Anstatt diesem Hirngespinst zu folgen, wäre es generell sinnvoll, nach den wirklichen Gründen für Konflikte zu forschen und für ein reibungsloseres Zusammenleben zu sorgen. In jedem Fall ist es nicht gut, eine trächtige Hündin in der Gruppe zu halten, solange die Stimmung nicht entspannt und gut ist. Sinnvoller wäre es, ihr während der Schwangerschaft ein wenig Prinzessinnenstatus zu geben. Sie könnte zum Beispiel allein mit im Schlafzimmer übernachten dürfen und extra allein gefüttert werden. Letzteres wird mit Fortschreiten der Trächtigkeit immer wichtiger, dann dann sollte sie sowieso häufiger gefüttert werden. Wenn dabei die anderen Hunde zuschauen müssen, könnte das Stress beim Fressen auslösen und vielleicht auch Animositäten innerhalb der Hundegruppe.
Dass viel gestreichelte Hündinnen entspanntere Welpen bekommen als solche, die wenig bis gar nicht liebkost werden, ist nun schon seit über 50 Jahren bekannt. Die Pioniere der Hundeforschung, Scott und Fuller, hatten dazu bereits in den 1960er-Jahren geforscht. Es ist außerdem sinnvoll, den gewohnten Lebensstil nicht von heute auf morgen zu verändern, aber die Streichel-, Wohlfühl- und Schlafzeiten mit fortschreitender Schwangerschaft immer mehr auszudehnen.
Bindungsaufbau
Dass eine starke Bindung des Hundes zum Menschen alles leichter macht, ist eine Binsenweisheit. Je wichtiger ihm sein Mensch ist, desto leichter sind die Erziehung des Hundes und das gemeinsame Zusammenleben. Aber kann schon ein Züchter etwas dafür tun, dass die Welpen eine enge Bindung zu ihren späteren Besitzern aufbauen werden?
Er muss sich zunächst bewusst sein, dass er von Anfang an ein Rollenmodell für die kleinen Hunde ist. Je enger seine Beziehung zu jedem Welpen wird, desto stärker werden sie auf den Bindungspartner Mensch „geprägt“. Dieser Begriff steht hier in Anführungszeichen, weil eine Prägung im biologischen Sinne, wie sie Konrad Lorenz erstmalig an Gänsen beobachtet hat, beim Hund nicht stattfindet. Und doch ist der Prozess ähnlich, der beim Hund allerdings offenbleibt und eine generelle Bindungsfähigkeit an andere Menschen aufbaut. Dies geschieht dadurch, dass der Züchter und möglichst seine Familie von Anfang an engen Körperkontakt zu jedem Welpen ermöglicht. Vorzugsweise so, dass dabei anfangs direkter Kontakt von Menschenhaut zu Neugeborenem entsteht, am besten im Bereich des menschlichen Herzens. Der Herzschlag eines Menschen wirkt dann genauso beruhigend wie der der Mutterhündin. Es geht darum, dass die Welpen sich bei den menschlichen Betreuungspersonen genauso geborgen fühlen wie bei ihr. Sanftes Streicheln und ruhiges Zureden sollten ebenfalls dazugehören. Dabei ist es in den ersten Tagen sehr wichtig, die Hündin zu beobachten. Wenn sie auch nur leicht gestresst wirkt, sobald man die Welpen hochnimmt, ist es besser, damit noch einen oder zwei Tage zu warten.
Trotzdem kann man die Welpen so oft wie möglich in der Welpenkiste streicheln und sanft halten. Bei all diesen ersten Bindungsübungen sollten weder die Hände noch die Haut nach Creme, Parfüm oder Desinfektionsmittel riechen. Es geht schließlich darum, auch den menschlichen Geruch mit dem Gefühl von Geborgenheit zu verknüpfen.
Mit zunehmendem Alter der Welpen weitet sich der Kontakt zum Menschen immer mehr aus. Wenn sie sehen und hören können, sollen entsprechend auch der Anblick und die Stimme von Menschen mit Wohlbefinden und Sicherheit verknüpft werden. Auch andere Erwachsene und Kinder aus dem Freundeskreis sind sicher gern bereit, sich am großen Welpenkuscheln zu beteiligen. In jedem Fall ist es die Aufgabe des Züchters, darauf zu achten, dass er oder sie selbst, wie auch der Welpenbesuch, seine liebevolle Aufmerksamkeit auf alle Welpen gleichermaßen verteilt. Zu leicht kann es passieren, dass der Lieblingswelpe des Züchters, oder solche, die durch eine besondere Farbe auffallen, mehr Kuschelzeit bekommen als andere.
In vielen Züchterhaushalten ist eher die Frau für die Welpenbetreuung zuständig, manchmal sind gar keine Männer vorhanden. In diesem Fall wäre es besonders wichtig, dass jeder männliche Besucher gebeten wird, am Kuschelprogramm teilzunehmen. Es ist deutlich zu beobachten, dass viele Welpen im Welpenkurs schüchtern oder sogar ängstlich auf Männer reagieren. Dies liegt sicher in den meisten Fällen an wenig bis gar keinem Kontakt zu den Herren der Schöpfung in den ersten Lebenswochen.
Je älter die Welpen werden, desto mehr sollten der Züchter und ausgewählte andere Personen mit den Welpen spielen, um ihnen den Menschen als Spielpartner vertraut zu machen. Ideal sind Zerrspiele, bei denen der Vierbeiner gleich lernt, dass man bei Zweibeinern ins Spielzeug beißen soll und nicht in Hände oder Kleidung. Über dieses Spiel wird die nächste Ebene der Bindungsfestigung genutzt, die sich nun von Woche zu Woche öffnet. Das Motto ist: „Wer mir am meisten Spaß bereitet, der ist mein bester Kumpel.“
Aus all dem oben Beschriebenen ergibt sich ein weiterer ungemein wichtiger Aspekt: der Mensch als sicherer Hafen. Dadurch, dass die Welpen sich immer bei den betreuenden Menschen sicher und geborgen fühlen, werden diese zur ersten Stressbewältigungsstrategie. Damit ist gemeint, dass der junge Hund immer, wenn er sich unwohl oder ängstlich fühlt, bei seinem Menschen Schutz sucht und bekommt. Damit übernehmen zunächst der Züchter und später die neuen Besitzer auch in diesem Bereich die Rolle, die ursprünglich die Mutterhündin hatte.
Du bist selbst Züchter:in?
In unserem Onlineseminar "Frühförderung für Welpen. Was der Züchter tun kann uns sollte" erfährst du alles, was wir in der Welpenaufzucht wichtig finden und wie du deinen Welpen den besten Start ins Leben ermöglich kannst. Mit vielen Videos aus den ersten Wochen unseres Lionheart E-Wurfs.