Frustrationstoleranz: Nein, da muss er nicht durch!
Artikel von Rolf C. Franck, erschienen in der SitzPlatzFuss 5
Der Hund meiner Kindheit war ein schwarzer Mittelpudel namens Ali. Er konnte bei uns zuhause kommen und gehen, wann er wollte, und lebte im Dorf ein Leben der Freiheit. Ali musste nie allein sein, denn er traf sich täglich mit anderen Hunden im Dorf. Einer davon lebte in der Nachbarschaft und gehörte dem Schmied, Landmaschinenmechaniker und Jäger. Auch dieser Deutsch Langhaar machte täglich, was er wollte. Ich erinnere mich noch, dass er nach Motoröl roch, weil er oft auf dem Werkstattboden bei seinem Herrchen lag. Alle paar Tage durfte er mit ins Revier und dort seinen Aufgaben nachgehen.
Solche Hundeleben waren in unserem Dorf normal. Beinah zu jedem Haus gehörte ein solcher vierbeiniger Freigeist. Heute leben in Deutschland die allermeisten Hunde im Haus, werden an der Leine spazieren geführt, wo der Mensch laufen möchte und müssen selbstverständlich damit zurechtkommen allein eingesperrt zu werden. Man erwartet von ihnen, dass sie sich nicht aufregen, wenn die Nachbarskatze den Weg kreuzt, oder sie von entgegenkommenden Hunden angestarrt oder ausgebellt werden.
Wie tolerant kann und sollte ein Hund gegenüber Frustration sein? Wenn man das Leben eines durchschnittlichen Familienhundes von heute mit dem von vor 40 bis 50 Jahren vergleicht, wird klar, dass es heute deutlich mehr Einschränkungen für ihn gibt. Damals durften die meisten Hunde selbst entscheiden, wann sie wo hingehen, was sie machen und mit wem sie den Tag verbringen. In den letzten paar Jahrzehnten haben die Hunde die Freiheit und die Selbstbestimmtheit verloren, während die Ansprüche an ihre Selbstbeherrschtheit gleichzeitig gestiegen sind. Mit anderen Worten: Frustration ist zum Lebensgefühl vieler Hunde geworden. Es ist aus meiner Sicht nicht verwunderlich, dass es heutzutage scheinbar mehr Verhaltensprobleme gibt, sondern eher, dass so viele Hunde unter diesen Lebensbedingungen trotzdem zufrieden wirken.
Ererbte Verhaltensstrategien
Zu den veränderten Ansprüchen gibt es noch einen weiteren Faktor, der es vielen Hunden schwer macht, das zu zeigen, was ihre Menschen unter dem Stichwort „Frustrationstoleranz“ von ihnen erwarten: Die Genetik. Hunde wurden früher, oder werden auch noch aktuell, für Aufgaben selektiert, die erhöhte Erregungszustände und feste Verhaltensstrategien beinhalten. So bellen viele Hütehunde, um die Herde anzutreiben und manche setzen ihren starren Blick ein. Wenn das frustrierenderweise nicht reicht, beißen Aussie, Corgi, Cattle Dog oder ja, auch der Border Collie, zu. Hunde, die für die Baujagd gedacht sind, erklären zum Beispiel dem Fuchs, dass er ausziehen muss. Wenn dieser das nicht akzeptiert, kommt Frust auf und Terrier oder Dackel werden aggressiv. Ein Wachhund meldet und vertreibt Eindringlinge mit seinem Bellen. Wenn Frust aufkommt, weil der vermeintliche Bösewicht nicht geht, beißen Spitz, Hovawart oder Riesenschnauzer in dessen erreichbare Körperteile. Diese Beispiele zeigen, warum es für manche Hundetypen oft schwieriger ist, friedliche und gelassene Strategien für den Umgang mit Frustration zu erlernen.
Frustrationstoleranz lernen?
Ich finde es wichtig, dass Hunde möglichst früh lernen, gut mit Frustration zurecht zu kommen. Oft meinen ihre Besitzer*innen, dass es deshalb sinnvoll sei, sie vor dem vollen Futternapf warten zu lassen. Die Idee ist vielleicht nicht ganz verkehrt, die Umsetzung geht dagegen oft am Thema vorbei. In der Regel läuft es so ab, dass der Hund Sitz machen soll und man ihn mit wiederholtem „Siiiitz“, „Nein“ oder „Bleib“ davon abhält, sich auf das Futter zu stürzen. Vielleicht wird er auch körpersprachlich korrigiert, wenn er es nicht schafft, die Sitzposition zu halten. Damit wird er durch den Menschen kontrolliert und lernt kaum, sich freiwillig zurückzunehmen, während er den Frust aushalten muss, nicht sofort an sein Futter zu kommen.
Dieses Beispiel zeigt, wie eng Frustrationstoleranz mit Impulskontrolle verknüpft ist, denn oftmals wird die gleiche Futternapf-Übung auch als Impulskontrolltraining angepriesen. Tatsächlich führt eine geringe Frustrationstoleranz dazu, dass der Hund sich schlecht zusammenreißen kann und seinen Impulsen ungefiltert nachgibt. Kläffen, Jaulen, Schnappen, Beißen, Hochspringen und ähnliche Verhalten können dann auftreten, wenn der Hund von seinen negativen Gefühlen überwältigt wird. Dabei gilt wie immer: Je höher die Erregung, desto stärker die Verhaltensreaktion.
Frustration ist ein negatives Gefühl, daran gibt es nichts zu rütteln. Frust wird daher schnell zum Motivator unerwünschter Verhaltensweisen, die dem Hund helfen, sich wieder ein gut zu fühlen. Die Gefahr bei vielen üblichen Tipps und Übungen zum Training von Frustrationstoleranz besteht darin, dass sie sogar absichtlich darauf abzielen, den Hund in einem negativen emotionalen Zustand zu halten. Er muss schließlich da durch, soll lernen den Frust auszuhalten – oder nicht?
Dann wird beispielsweise empfohlen, das Futter des Hundes vor seinen Augen zuzubereiten und erst einmal eine Stunde unerreichbar auf der Arbeitsplatte der Küche stehen zu lassen. Oder sich für den Spaziergang fertig zu machen, dann aber die Haustür einfach nicht zu öffnen. Oder den Hund auf seiner Decke zu parken und am Heizkörper anzubinden, damit er seinen Platz nicht verlassen kann.
Oder ihn in eine Hundebox zu sperren und für eine gewisse Zeit nicht rauszulassen, egal ob er jault. Was der Hund bei all diesen Maßnahmen lernt, ist, dass er keine Chance hat, seine frustrierende Lage zu verbessern. Er lernt Resignation, das genaue Gegenteil
von Frustrationstoleranz.
Ein so trainierter Hund tendiert auch in anderen Situationen dazu, weniger Eigeninitiative zu zeigen und weniger Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Das bringt nicht nur sein Wohlbefinden ins Ungleichgewicht, sondern hat ganz praktische Nachteile. Wie soll
beispielsweise der Welpe verstehen, dass er sich bemerkbar machen soll, weil er zum Pipimachen rausmuss, wenn doch ansonsten die Äußerung seiner Bedürfnisse ignoriert oder gar bestraft wird?
Warum Frustrationstoleranz wichtig ist
Nur ein emotional ausgeglichener Hund kann sich „brav“ verhalten und den Anforderungen gerecht werden, die die moderne Welt an Hunde stellt. Resilienz ist hierbei ein Schlagwort, das in den letzten Jahren auch in der Hundewelt immer mehr an Beachtung findet. Gemeint ist die innere Stärke, Belastungen an sich abprallen lassen zu können, ohne davon Schaden zu nehmen. Oft wird Resilienz deshalb als eine Art „Immunsystem der Seele“ bezeichnet.
Es gibt verschiedene Konzepte, die einzelne Faktoren definieren, welche gemeinsam eine gute Resilienz ausmachen. In fast allen spielen Optimismus, Selbstwirksamkeit, soziale Beziehungen, Lösungsorientierung und eine gewisse Selbstregulation eine wichtige Rolle. Resilienz ist also eine sehr komplexe Eigenschaft und hat viele Überschneidungen mit Frustrationstoleranz. Beides zusammen bildet eine wichtige Grundlage dafür, dass ein Hund keine Verhaltensprobleme entwickelt, gut trainierbar ist und sich in seinem Leben wohlfühlt.
Ein Hund mit guter Frustrationstoleranz hat die Fähigkeit, ein hohes Maß an Frust auszuhalten, ohne überzureagieren, und vor allem, ohne sich davon aus der Bahn werfen zu lassen. Er gibt nicht auf, sondern verfolgt beharrlich weiter sein Ziel. Damit ein Hund diese Art von Frustrationstoleranz entwickelt, darf er eben nicht zum Aufgeben gezwungen werden. Vielmehr muss er mithilfe des Menschen lernen, sich auf erwünschte Art mehr und mehr anzustrengen, um erfolgreich zu sein. Wenn dem Hund beim Frusterleben also zuallererst Kläffen, dann Anspringen und irgendwo Reinbeißen einfallen würde (z.B. weil genau diese Verhaltensweisen wie zuvor
beschrieben genetisch angelegt sind), ist es die Aufgabe des Menschen, für das Erfolgsgefühl beim Sich-Zurückhalten, Mehr-Zurückhalten und schließlich Komplett-gechillt-Abwarten zu sorgen.
Mit Übungen zur Spielkontrolle, dem genialen It’s-your-Choice-Game von Susan Garrett und vielen anderen Trainingstechniken ist es möglich, dass die freiwillige Selbstbeherrschung des Hundes für ihn zur erfolgreichen Strategie im Umgang mit Frustration wird.
Die gleiche Frustrationstoleranz, gekoppelt an eine andere Erfolgsstrategie, brauchen wir beispielsweise beim Training zuverlässiger Alltagsübungen und auch im Hundesport. Jeder Belohnungsaufschub beinhaltet Frustration, daher bietet sich belohnungsbasiertes
Training wunderbar an, um den Hund schrittweise mit minimalem Frust zu konfrontieren und ihm den Weg zum Erfolg zu zeigen.
Das Malbuchprinzip
Genauso wichtig wie das genannte Training ist es, speziell einen Welpen, aber auch den erwachsenen Hund vor zu frustrierenden Situationen, die er (noch) nicht bewältigen kann, zu schützen. Das ist vermutlich nicht immer möglich, aber wenigstens sollte man
ihn dann schnell aus der betreffenden Situation herausnehmen. Weißt du vorher, dass du mit deinem Hund in eine frustrierende Situation kommst, für die seine Selbstkontrolle (noch) nicht ausreichen wird, nimm ihm zumindest ein Beschäftigungs-Tool mit. Genauso, wie ein Kind im Restaurant besser stillsitzen und aufs Essen warten kann, wenn man ein Malbuch dabeihat, brauchen vor allem junge Hunde ihr „Malbuch“ immer dann, wenn es langweilig wird. Eine typische Situation wäre eine Gruppentrainingsstunde
im Welpen- oder Junghundekurs, wenn es zu Wartezeiten kommt, weil beispielsweise der/die Trainer*in eine Übung erklärt oder Fragen beantwortet.
Leider hört man immer wieder den Tipp, dass man sich dann auf die Leine des jungen Hundes stellen soll, damit dieser in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird. Zwar kann er dann keinen Quatsch machen, aber wie fühlt er sich wohl dabei? Die Emotion,
die wir mit Langeweile und Warten verknüpfen wollen, ist Entspannung. Also macht es Sinn, dem Hund einen gefüllten Kong® oder einen Kaugegenstand zu geben, mit dem er sich beschäftigen kann. Wenn du unvorbereitet bist, kannst du auch einfach eine Handvoll Leckerchen ins Gras streuen und ihn schnüffeln schicken.
Mit dem Malbuchprinzip verhinderst du ungewollte Erregungszustände organisatorisch und schaffst dir so die Möglichkeit, langfristig die Selbstkontrolle und Frustrationstoleranz deines Hundes weiter auszubauen.
Wie viel Frustrationstoleranz ist möglich?
Wenn man sich vor Augen führt, wie sich ein Hund verhält, der wenig oder keine Toleranz für Frustration besitzt wird klar, dass es immer darum geht, sich nicht zu sehr zu erregen und sich zurückzunehmen. Wie gut und wie lange er dazu in der Lage ist, hängt von vielen verschiedensten Faktoren ab. Unter anderem hat jeder Hund nur eine gewisse Kapazität sich zu beherrschen, die durch zu viele schwierige Situation aufgebraucht werden kann. Danach benötigt er Zeit sich zu regenerieren, bis er wieder die Stärke besitzt, neuen Herausforderungen gewachsen zu sein. Manche Hunde haben auf dem Weg zum Spaziergang einen förmlichen Spießrutenlauf mit provozierenden Katzen, kläffenden Zaunhunden, keifenden Kindern und wütenden Begegnungshunden vor sich. So ist der entspannte Spaziergang schon nicht mehr möglich, wenn er endlich beginnen kann. Das Maß der Fähigkeit, in aufregenden Erlebnissen gelassen zu bleiben ist trainierbar, aber nicht bis ins Unendliche. Irgendwann ist bei jedem Hund die aktuelle Grenze erreicht. Wie oben beschrieben, kann es daher nicht nur ums Training gehen, sondern auch um eine Einschätzung der alltäglichen Herausforderungen. Wenn diese immer wieder das Vermögen des Hundes überschreiten, müssen dringend die Bedingungen verändert werden.
Zucht und frühe Erlebnisse
Wie beschrieben, besitzen viele Hunde ein genetisch angelegtes Grundprogramm, um mit Frustration umzugehen. Hinzu kommt, dass ab einer gewissen Dosis Frustrationserregung das Wutsystem im Gehirn aktiv wird. Die dann gezeigten Strategien sind zumindest
unerwünscht, wenn nicht sogar gefährlich. Dies ist ein sehr guter Grund in der heutigen Zeit, friedliche und gelassene Frustrationsbewältigungsstrategien zu fördern und auch züchterisch danach zu selektieren. Natürlich ist das „Talent“ gelassen auf
frustrierende Situationen zu reagieren in jedem individuellen Zuchthund unterschiedlich angelegt. Je nachdem, wer mit wem verpaart wird, hat das sicherlich Einfluss auf die fallenden Welpen und deren Umgang mit Frust. Schon vor der Geburt werden die Welpen
auch durch die Erlebnisse der schwangeren Hündin geprägt. Zahlreiche Untersuchungen an verschiedenen Säugetieren bestätigen, dass starker Stress in der Schwangerschaft die spätere Erregungs- und Emotionsregulation der Nachkommen negativ beeinflusst.
Auf der anderen Seite gibt es viele Hinweise darauf, dass trächtige Hündinnen, die viel gestreichelt werden, sich geborgen und entspannt fühlen, gelassenere und entspanntere Welpen bekommen.
Weiterhin beeinflusst das stressarme Wohlbefinden der Mutterhündin auch in den ersten Lebenswochen die positive Entwicklung der Welpen. Nicht nur darauf hat der Züchter Einfluss. Er oder sie kann in den ersten zwei Lebensmonaten viel dafür tun, dass die späteren
Welpenfamilien mit einem gelassenen, gutgelaunten, weltgewandten, bindungsoffenen Welpen mit guter Selbstregulation den besten Start haben.
Lebensbedingungen
Eine unabdingbare Voraussetzung für funktionierende Frustrationstoleranz ist, dass die Grundbedürfnisse von Hunden erfüllt werden. Bei vielen ist zum Beispiel das arttypische Schlafverhalten gestört. Allein die täglich nötigen Schlafzeiten von ca. 14 bis 16 Stunden
werden von vielen Hunden nicht erreicht, die zu Überreaktionen neigen. Hier geht es normalerweise eher um den Tagschlaf, denn solange ihre Menschen schlafen, schlafen meist auch die Hunde. Das wären dann nachts im Idealfall etwa acht Stunden, und es bleiben sechs bis acht Stunden, die ein Hund am Tag schlafen sollte. Neben der Schlafzeit ist tagsüber oft auch die Schlafqualität unzureichend. Anders als Menschen sollten Hunde auch am Tag mehrere komplette Schlafzyklen durchlaufen. Diese sind bei Hunden mit durchschnittlich 20 Minuten deutlich kürzer (bei Menschen ca. 90 Minuten).
Viele Hunde scheinen aber tagsüber, wenn ihre menschlichen Familienmitglieder zu Hause sind, nur zu dösen, weil sie nichts verpassen möchten. Andere schlafen auch nur oberflächlich, wenn sie allein sind, weil sie zum Beispiel auf am Zaun vorbeilaufende Menschen und Hunde, den Postboten oder Katzen vor dem Fenster warten. Wie stark negativ sich ein zeitliches oder qualitatives Schlafdefizit auf die Frustrationstoleranz auswirkt, hast du vielleicht schon Mal am eigenen Leib erfahren. Es lohnt sich daher, dass du die Schlafzeit und -qualität deines eigenen Hund einschätzt, besonders wenn es Probleme mit der Frust- oder generell Stressbewältigung gibt. Die Zeiten kannst du addieren, aber die Qualität ist schwieriger einzuschätzen.
Ein Anhaltspunkt dazu ist die Schlafposition. Solange der Hund aufrecht oder eingerollt liegt, schläft er vermutlich leicht oder ruht nur. Die tieferen Schlafphasen ereignen sich eher, wenn er auf der Seite liegt. In der Regel kann man nur dann den REM-Schlaf (flackernde
Augenbewegungen bei geschlossenen oder leicht geöffneten Lidern) und die Traumphasen (Jaulen, leises Bellen, angedeutete
Laufbewegungen und Rutenwedeln) beobachten.
Der Schlaf wird indirekt durch das Grundbedürfnis nach Aktivitäten wie Laufen, Schnüffeln, Spielen und Erkunden beeinflusst, denn nur ein müder Hund schläft gut. Auf Spaziergängen sollte er schon deshalb viel Zeit haben, umherzulaufen, zu schnüffeln und verschiedene
Umgebungen zu erkunden. Dies vorzugsweise im Freilauf, wenigstens an der langen Leine, damit er selbst entscheiden kann, wann er was macht. Hunde, die nur an der kurzen Leine ausgeführt werden, können all dies nur eingeschränkt erleben und fühlen sich vielleicht deshalb dauerfrustriert, denn Hunde haben ein Grundbedürfnis, sich lang und schnell zu bewegen. Die normale Gehgeschwindigkeit
eines Menschen ist für deren Empfinden, je nach Hundegröße, meist zu langsam. Dies kann einen durchgängigen Frustfaktor auslösen, der sich negativ auf die Fähigkeit auswirkt, sich an anderer Stelle zurückzunehmen und gelassen zu bleiben. Außerdem macht schnelles Laufen - gesunde - Hunde einfach glücklich.
Es spricht daher viel dafür, den Hund mehrfach in der Woche mit dem Fahrrad auszuführen und ihn möglichst zeitweise ohne Leine sowie abwechselnd in Trab und Galopp rennen zu lassen. Dies hilft zusätzlich, den Hund schlank, muskulös und fit zu halten, was einen positiven Einfluss auf seine Langlebigkeit und allgemeine Gesundheit mit sich bringt.
Neben dem Schlaf, dem Erkunden und Rennen, kommt auch dem ausgelassenen und erregten Spielen mit seinem/ seinen Menschen eine mindestens doppelte Positivrolle zu. Einerseits gibt es dem Hund die Möglichkeit, überschüssige Energie auszuleben und das
Bedürfnis nach Erregung zu befriedigen. Andererseits erwirbt er im Idealfall im Spiel die Fähigkeit, sich im hohen Erregungszustand
an Spielregeln zu halten und seine gezeigte Selbstkontrolle wird als erfolgreiche Strategie weiter gefestigt.
Jeder Hund hat weiterhin individuelle Bedürfnisse, die meist aus lieben Gewohnheiten und Ritualen entstehen. Ein Häppchen beim Frühstück abkassieren, gemeinsames Chillen auf dem Sofa, schlafen im Bett des Menschen, schwimmen im nahen Fluss – all diese
und ähnliche Dinge werden mit jeder Wiederholung wichtiger für die Zufriedenheit und die gute Alltagsstimmung eines Hundes. Diese wirkt sich wiederum auf seine situative Frustrationstoleranz aus.
Gesundheit
Eine weitere wichtige Grundlage für die Fähigkeit, gut mit Frust zurechtzukommen, ist ein stabiler Gesundheitszustand. Wenn Hunde kränkeln, an Allergien, Hautkrankheiten, Parasitenbefall oder Verdauungsproblemen leiden, ist es oft nicht weit her mit der Selbstbeherrschung. Auch alle Probleme mit dem Bewegungsapparat, Verspannungen, Rückenblockaden, leichte oder schwerere Lahmheiten, Arthrosen in kleinen oder großen Gelenken oder Augenprobleme belasten das Wohlbefinden, die alltägliche Grundstimmung und damit auch die Frustrationstoleranz.
Oft schränken Gesundheitsprobleme das Leben ein oder verhindern es teilweise, dass die oben beschriebenen wichtigen Bedürfnisse erfüllt werden können. Wenn sich mehr oder weniger von heute auf morgen das gezeigte Verhalten deines Hundes verändert und er beispielsweise ungehalten auf Frust reagiert, liegt dies in den allermeisten Fällen an bisher unerkannten, akuten oder chronischen Gesundheitsproblemen. Hier ist also die Tiermedizin, Physiotherapie/Osteopathie in unterschiedlicher Reihenfolge gefragt. Besonders einschneidend wirken sich chronische oder akute Schmerzzustände auf die Frustrationstoleranz aus. Sehr viele typische Verhaltensprobleme werden durch Schmerzen verstärkt oder sogar ausgelöst. Oft hängen sie auch mit Frustrationsgefühlen und deren
unangemessener Bewältigung zusammen.
Ich hatte schon zahllose Hunde in meiner Beratungspraxis, die ein für mich beinahe offensichtliches Schmerzproblem zeigten, das aber weder von der Besitzerfamilie noch von der behandelnden Tierärztin bzw. dem Tierarzt erkannt wurde. Schmerzen machen schlechte Laune und sorgen für geringe Toleranz gegenüber jeder Art von Frustration. Offensichtlich wird dies dann dadurch, dass der Hund ungehalten oder aggressiv auf Situationen oder konkrete Reize reagiert, mit denen er vorher gut klarkam. Regelmäßig hatten an diesem Punkt schon andere Trainer*innen versucht, das Verhalten des Hundes mit Einschüchterung und/oder Strafe zu unterdrücken. Dies liest sich jetzt vermutlich, als handelte es sich um absurde Einzelfälle. Tatsächlich ist es für viele erfahrene, empathische Trainer*
innen ein Teil des normalen Arbeitsalltags. Unerkannte Schmerzen können zum Beispiel durch Augen-, Zahn-, Ohren-, Rücken-, Bauch- und Unterleibsprobleme ausgelöst werden. Schmerzauslösende Probleme am Bewegungsapparat kann man oft an einem asymmetrischen Gangbild, Lahmheiten und Schonhaltungen im Stehen, Sitzen oder Liegen erkennen. Wenn ein solcher Hund die passende Schmerztherapie und die richtige Behandlung bekommt, kann er oft wieder viel besser mit Frustration umgehen.
Ist Frustration schädlich?
Bei all den Gedanken über Frustrationstoleranz könnte man den Eindruck bekommen, dass Frust etwas Schädliches ist, das man in Training und Alltag vermeiden sollte. Schädlich ist Frustration genau wie andere Stressoren dann, wenn der Hund keine guten Bewältigungsstrategien besitzt oder sich die Frustrationserlebnisse summieren. Frust gehört jedoch für alle Lebewesen zum Leben dazu und ist im richtigen Maß ein wichtiger Motivator. Auch effektives, positives Hundetraining arbeitet mit einer gewissen Dosis Frustration.
Dein Hund weiß vielleicht, dass du auf dem Spaziergang immer sein Lieblingsspielzeug dabeihast. Deshalb fühlt er sich ein wenig frustriert, weil er nicht immer damit spielen darf. Wenn du ihn nun zu dir rufst und zur Belohnung fürs Kommen mit ihm spielst, wird diese wichtigste aller Übungen viel attraktiver und damit von Mal zu Mal schneller und zuverlässiger. Nicht nur Hunde sollten deshalb
viel über den Umgang mit Frust lernen, sondern auch ihre Menschen.