Giardienbefall beim Hund

(Artikel von Madeleine Franck, erschienen in der SitzPlatzFuss Ausgabe 58)

Man geht davon aus, dass Giardien die Endoparasiten sind, von denen Hunde in Europa am häufigsten betroffen sind. Ein guter Grund also, um sich als Hundebesitzer*in mit den lästigen Einzellern ein wenig näher zu beschäftigen.
In unsere Hundeschule kommen durchschnittlich 30 Welpen zur wöchentlichen Welpenstunde. Da Giardien vor allem Welpen und Junghunden Probleme bereiten, ist das Thema im Hinterkopf immer präsent, wenn jemand wegen einer Durchfallerkrankung des Hundekindes absagen muss. Gefühlt sind Giardien als Verursacher von Darmproblemen in den letzten Jahren deutlich mehr ins Bewusstsein gerückt – sowohl bei Tierärzt*innen, als auch bei Hundemenschen. Es wird schneller und öfter auf Giardien getestet und entsprechend mehr und oft langwierig behandelt. Sicherlich wäre es sinnvoll, einen Artikel über Giardien von einem Tierarzt beziehungsweise einer Tierärztin verfassen zu lassen, aber falls dein Hund befallen ist, bleibt sowieso jede Behandlung individuell mit dem/der Tierärzt*in deines Vertrauens abzuklären. Andererseits habe ich als Hundetrainerin die Erfahrung gemacht, dass es nicht ausreicht mit rein medizinischem Blick auf Giardien zu schauen. Nicht selten sind es Verhaltensauffälligkeiten, aufgrund derer wir die Empfehlung aussprechen, einen Hund auf Giardien zu testen.

Basicwissen zu Giardien
Giardien sind Einzeller, die als Endoparasiten weltweit bei Hunden, anderen Tieren und auch beim Menschen Darmerkrankungen verursachen. Die Genotypen der Variante „Giardia intestinalis“ werden in acht Gruppen (A bis H) unterteilt, wobei beim Hund die spezifischen Genotypen C und D, beim Menschen dagegen vor allem A und B vorkommen. Auch wenn damit erstmal keine direkte Gefahr einer Übertragung von Hund zum Menschen besteht, sind Giardien potenziell in geringem Maße zoonotisch.
Die Infektion mit Giardien erfolgt über den Kontakt mit Giardien-Zysten, die von befallenen Tieren mit dem Kot ausgeschieden werden. Diese Zysten sind durch ihre Hülle ausgesprochen widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen, fühlen sich besonders in feuchter Umgebung wohl und bleiben dort bis zu drei Monate infektiös. Beschnüffeln von Kot oder dem Hinterteil eines infizierten Hundes, Trinken aus dem gleichen Wassernapf oder aus verunreinigten Pfützen, Ablecken der eigenen Pfoten nach dem Spaziergang im Hundepark – die Übertragungswege sind vielfältig und winzige Mengen an Zysten reichen aus.
Die aufgenommenen Zysten entwickeln sich im Darm des infizierten Hundes zu Trophozoiten, dem vermehrungsfähigen Stadium der Giardien. Diese heften sich im Dünndarm an die Schleimhaut und verursachen die akute Durchfallerkrankung (Giardiose), wobei jedoch knapp die Hälfte der Infektionen asymptotisch verlaufen. Es werden riesige Mengen neuer Zysten gebildet, die über mehrere Wochen vom Hund mit dem Kot ausgeschieden werden.



Symptome
Typisch für eine Giardieninfektion ist ein kurzzeitiger, aber wiederkehrender Durchfall oder zumindest phasenweise weicher Kot. In den Häufchen eines erkrankten Hundes finden sich oft Schleimbeimengungen, wobei dies laut einer Studie vor allem bei der Infektion mit dem Genotyp C der Fall ist.
Manche betroffenen Hunde leiden unter offensichtlichen Bauchschmerzen bis hin zu Bauchkrämpfen, andere zeigen nur ein leichtes Unwohlsein. Vor allem bei einem längeren Krankheitsverlauf kommt es zu Störungen in der Nährstoffaufnahme. Die Schädigung der Darmschleimhaut kann diverse weitere gesundheitlichen Probleme verursachen und die Entstehung von Futtermittelallergien begünstigen. Wie bereits gesagt, verlaufen vor allem bei erwachsenen Hunden viele Infektionen ohne gastrointestinale Symptome. Einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben also zum einen das Alter, aber auch Faktoren wie der Immunstatus des Hundes insgesamt, die Vielfältigkeit seines Darmmikrobioms, mögliche Koinfektionen mit anderen Endoparasiten und Stress.

Verhaltensauffälligkeiten
An dieser Stelle möchte ich von evidenzbasiertem zu praxisbasiertem Wissen wechseln: Zu den Verhaltensauffälligkeiten, die wir über die Jahre hinweg immer wieder in Zusammenhang mit Giardieninfektionen beobachtet haben, gehören vor allem eine übermäßige „Schnappigkeit“ bei Welpen, Schwierigkeiten zur Ruhe zu kommen und nicht Kuscheln (manchmal vor allem nicht Festgehalten werden) wollen. Natürlich können diese Verhaltensweisen von diversen anderen Faktoren beeinflusst werden, angefangen bei der Aufzucht in den ersten Lebenswochen, bevor der Welpe in seine neue Familie gekommen ist. Ist das Verhalten jedoch auffällig heftig oder hartnäckig, lässt es sich trotz gutem Training nur schwer verbessern oder tritt phasenweise mit zwischenzeitlicher Besserung auf, liegt unserer Erfahrung nach meist ein Befall mit Giardien vor. Vor allem, wenn ein solches Verhalten über Wochen und Monate bis ins Junghundealter hinein immer mal wieder besser und wieder schlechter wird, würden wir dringend zu einem Test raten.
Darauf angesprochen, erinnern sich die Besitzer*innen des Hundes oft an länger zurückliegende Durchfallepisoden. Oder es gibt sogar andauernde, kleinere Verdauungsprobleme, die jedoch als nicht behandlungsbedürftig eingeschätzt wurden. Wird dann eine Giardieninfektion festgestellt und behandelt, sind viele Besitzer*innen überrascht, wie deutlich sich danach das Verhalten ihres Hundes verändert.
Vor allem Ersthundebesitzer*innen fehlt – logischerweise – die Erfahrung, um einschätzen zu können, welches Verhalten ihres Welpen „normal“ ist. Sie müssen ihr Hundekind erst kennenlernen, für den Welpen ist sowieso alles aufregend, da fällt es manchmal schwer, Anzeichen von Unwohlsein zu erkennen. Und wer denkt schon an mögliche Bauchschmerzen, wenn der Welpe beim Geschirranziehen mit wilden Schnappanfällen reagiert? Dabei kann auch eine scheinbar asymptotisch verlaufende Infektion latente Schmerzen verursachen, die auf verschiedenen Wegen das Verhalten beeinflusst. Ist das Wohlbefinden beeinträchtigt, werden Hunde reaktiver, reizbarer, schlafen schlechter. Letztes verschlimmert die ganze Problematik.
Darüber hinaus verändern Giardien strukturell das Darmmikrobiom und wirken selbst durch die Freisetzung bestimmter Botenstoffe, sowie durch die verschlechterte Nährstoffaufnahme, auf wichtige Funktionen des Darmnervensystems. Die Darm-Hirn-Achse ist ein spannendes Forschungsgebiet, das in den nächsten Jahren sicherlich noch viele neue Erkenntnisse liefern wird. Klar scheint, dass die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms Emotionen, Schmerzempfinden und soziales Verhalten beeinflusst. Im Hundemodell untersucht wurden außerdem Zusammenhänge von Darmmikrobiom und neurodegenerativen Erkrankungen, wobei in Bezug auf Epilepsie und andere Hirnerkrankungen Hinweise auf einen Einfluss der Darmbakterien gefunden wurden. Auch dieser Aspekt sollte berücksichtigt werden, wenn über die Behandlung einer Giardieninfektion entschieden wird, die vermeintlich asymptotisch verläuft, weil sie keinen akuten Durchfall verursacht.
 

Wie testen?
Zum Nachweis einer Giardien-Infektion kommen verschiedene Testmethoden zum Einsatz:
• Mikroskopischer Nachweis von Zysten im Kot mittels Flotationsverfahren. Dies kann in der Tierarztpraxis vor Ort durchgeführt werden und erfordert eine Sammelkotprobe über drei Tage. Die Sensitivität des Tests für Einzelproben und bei Durchfall wird als niedrig eingestuft, da Zysten nicht dauerhaft ausgeschieden werden.
• Mikroskopischer Nachweis von beweglichen Trophozoiten im Kot. Für die Herstellung des zu untersuchenden Nativausstrichs in physiologischer Kochsalzlösung sollte die Kotprobe flüssig und ungekühlt sein. Die Sensitivität des Tests wird als niedrig eingestuft.
• Mikroskopischer Nachweis von ausgeschiedenen Zysten mittels Immunfluoreszenz-Verfahren im Labor. Dieser Test gilt als hochsensitiv und erfordert ebenfalls eine Sammelkotprobe.
• Antigen-Schnelltest, der in der Tierarztpraxis oder zuhause durchgeführt werden kann. Schnelltests gelten als hochsensitiv und spezifisch, weshalb ein negatives Ergebnis eine gute Aussagekraft hat. Da diese Tests jedoch auch auf tote Giardien reagieren, die noch der Darmschleimhaut anheften, kann es bei einer Erfolgskontrolle nach erfolgter Behandlung zu falschpositiven Ergebnissen kommen.
• Koproantigen-Test (ELISA) im Labor. Getestet wird auf CWP 1/2 und GSA-65, das heißt auf spezifische Zellwandproteine, die bei der aktiven Bildung von neuen Zysten entstehen. Der Test gilt als hochsensitiv und hochspezifisch. Da Zysten nicht dauerhaft gebildet werden, ist auch hier eine Sammelprobe notwendig.
• PCR-Test im Labor, mit hoher Sensitivität und Spezifität.
Wer den Verdacht hegt, dass sein Hund mit Giardien infiziert ist, kann das also auch ohne einen Tierarztbesuch testen (lassen). Schnelltests sind von verschiedenen Herstellern im Internet erhältlich und auch Laboruntersuchungen können direkt in Auftrag gegeben werden.


Behandlung
In Deutschland sind für die Behandlung gegen Giardien die Wirkstoffe Fenbendazol (Panacur®) und Metronidazol (Metrobactin®) zugelassen. Fenbendazol ist dabei das Mittel der Wahl, das in der Regel in der Dosierung von 50 mg/kg über 5 Tage eingesetzt und je nach tierärztlicher Empfehlung nach 5-, 7- oder 14-tägiger Pause wiederholt für 5 Tage gegeben wird.
Metronidazol ist ein Antibiotikum, weshalb gerade der Einsatz bei Welpen und Junghunden kritisch gesehen werden muss. Auch wenn im Hinblick auf die Darmgesundheit jede Antibiotikagabe wohlüberlegt sein sollte, gilt dies besonders im ersten Lebensjahr.
Darüber hinaus ist vor allem die Einhaltung umfangreicher Hygienemaßnahmen wichtig, um Giardien dauerhaft loszuwerden. Da die ausgeschiedenen Zysten über lange Zeit infektiös sind, kommt es häufig zu Reinfektionen direkt nach der Behandlung. Oft wird dann fälschlicherweise von einem Versagen der Therapie gesprochen und das Medikament gewechselt oder auf eine Kombination von Wirkstoffen zurückgegriffen. Zu den therapiebegleitenden Hygienemaßnahme sollte es daher gehören, Futter- und Wassernäpfe täglich heiß auszuwaschen und gut zu trocknen, den Boden heiß zu wischen, Körbchen und Decken in der Waschmaschine zu waschen und den Hund zu baden, wenn die Behandlung abgeschlossen ist. Hundekot im eigenen Garten sollte selbstverständlich sofort entfernt werden.
Erkrankt im Mehrhundehaushalt ein Junghund an Giardiose, ist es sinnvoll alle Hunde auf Giardien zu testen. Eventuell ist einer der erwachsenen Hunde zwar symptomfrei, aber trotzdem derjenige, der für die Ausscheidung von Giardienzysten verantwortlich ist. Im Allgemeinen wird als Behandlungsziel vorrangig Symptomfreiheit angegeben, also das Verschwinden des Durchfalls. Lebt ein asymptotisch mit Giardien infizierter Hund jedoch mit weiteren Hunden zusammen, sollte er auf jeden Fall behandelt werden.
Je größer die Hundegruppe, desto schwieriger wird ist es die Verbreitung der Giardien wieder zu stoppen. Untersuchungen in Tierheimen ergaben daher in verschiedenen Studien eine Infektionsrate von 40-50% der Hunde, außerdem wurden dort auch die auf den Menschen übertragbaren Giardien-Genotypen A und B gefunden.

Darmgesundheit

Zusätzlich zur medikamentösen Behandlung muss bei einer Giardieninfektion immer die Verbesserung der Darmgesundheit im Fokus stehen. Die Folgen einer geschädigten Darmschleimhaut und der Veränderungen im Darmmikrobiom sind heute noch längst nicht vollständig erforscht. Als bewährtes Hausmittel, das traditionell bei Durchfallerkrankungen zum Einsatz kommt, ist hier die Morosche Möhrensuppe zu nennen. Beim überlangen Kochen (mindestens 60 Minuten) von 500g Karotten pro 1 Liter Wasser und dem anschließenden Pürieren entstehen spezielle Zuckermoleküle. Diese sogenannten Oligosaccharide kleiden die Darmschleimhaut aus und verhindern so, dass schädliche Bakterien dort andocken. Ob die Morosche Suppe auch gegen Giardien wirkt, ist nicht belegt. Ihre Inhaltsstoffe fugieren aber in jedem Fall als Präbiotikum, also Nahrung für die nützlichen Darmbakterien. Empfohlen wird, die Suppe in kleiner Menge jeweils 30 Minuten vor dem Futter zu geben.
Auf dem Markt erhältlich sind eine ganze Reihe von Futtermitteln, die den Anspruch erheben, extra präbiotisch zu sein und das Mikrobiom im Hundedarm gezielt zu ernähren. Je größer die Artenvielfalt von Bakterien, desto gesünder ist der Darm. Es gibt daher auch probiotische Nahrungsergänzungsmittel, also lebende Mikroorganismen, die gezielt gefüttert werden können. Zu Bedenken ist, dass nur bestimmte, einzelne Bakterienstämme überhaupt kultiviert und verkauft werden können, das Mikrobiom aber mehrere hundert Arten beheimatet.
Wichtig für die Darmgesundheit sind außerdem sogenannte Postbiotika, also Substanzen, die durch Stoffwechselprozesse von nützlichen Bakterien entstehen. Zu diesen essentiellen Nährstoffen für die Darmschleimhaut gehört beispielsweise Butyrat (Buttersäure). Nahrungsergänzungsmittel mit Butyrat zu füttern kann im Falle einer Giardieninfektion hilfreich sein, weil es einerseits zu einer direkten Symptombekämpfung beiträgt und der Darmschleimhaut eine sofortige Unterstützung gibt, andererseits aber auch dazu führt, dass sich wieder vermehrt Butyrat-produzierende Bakterien ansiedeln.

Fazit
Giardien sind lästig und trotz gut wirksamer Behandlungsmöglichkeit oft schwer wieder loszuwerden, da es schnell zu Reinfektionen kommt. Viele durchfallfreie Infektionen werden nicht bemerkt, sollten aber auch als Verursacher von Verhaltensauffälligkeiten in Betracht gezogen werden. Es lohnt sich immer, in die Darmgesundheit seines Hundes zu investieren, um kurz- und langfristigen Gesundheitsfolgen vorzubeugen!

Quellen:
Kim S, et al.: Impact of Epilepsy and Giardia Intestinalis Infection on the Gut Microbiome in Canine Species. RRJ Microbiol Biotechnol. 2023;12:005.
Šmit I, et al.: The Influence of Giardia duodenalis on the Occurrence of Clinical Signs in Dogs, Vet. Sci. 2023, 10(12), 694; https://doi.org/10.3390/vetsci10120694
Marie C. M. Halliez, André G. Buret: Gastrointestinal Parasites and the Neural Control of Gut Functions, Review article, Front.
Cell. Neurosci., 25 November 2015, https://doi.org/10.3389/fncel.2015.00452 Pantchev N., Giardien bei Hund und Katze, Kompendium Kleintier 2018; 11: 23–28